Mehr zu den Künstlerfaltrollos

Mit 37 Werken besitzt das BLMK als Teil der grafischen Sammlung das größte Konvolut bemalter Faltrollos in Deutschland. Bei diesen Objekten handelt es sich um einzigartige Dokumente der nonkonformen Kunstszene der DDR in den 1980er Jahren und der Wendezeit. An dieser Stelle können die Objekte erstmals online präsentiert werden und bilden damit den Auftakt der Sammlung Online, die sukzessive auch Einblicke in andere Sammlungsbereiche des BLMK ermöglichen wird.

Eine größere Zusammenstellung von Faltrollos verschiedener Künstler*innen wurde erstmalig auf dem Festival „Intermedia I: Klangbild / Farbklang“ in Coswig bei Dresden präsentiert: Auf Initiative von Christoph Tannert und Micha Kapinos versammelten sich am ersten Juniwochenende 1985 Vertreter*innen der autonomen Kunst- und Musikszene, um ein Zeichen gegen erstarrte, künstlerische Strukturen zu setzen. Über 40 Rollos unterschiedlichster Handschriften verwandelten den Ballsaal des Klubhauses in einen eigenwilligen Galerie- und Konzertraum. Damals mehr Dekoration als ernstzunehmendes Kunstwerk, zeugten die Arbeiten schon bald von einem Zeitgeist des persönlichen und künstlerischen Widerstands und von einem ausgeprägten Interesse an unkonventionellen Materialien.

Insbesondere Jörg Sperling, dem langjährigen Kustos für Malerei, Grafik und Skulptur am BLMK (und seinen Vorgängerinstitutionen) ist es zu verdanken, dass das Rollo-Phänomen in Cottbus auf besonders fruchtbaren Boden fiel. In dem kurzen Zeitraum zwischen 1987 und 1991 wurden hier allein vier Ausstellungen organisiert. Die ersten beiden initiierten Matthias Körner, Hans Scheuerecker und Jörg Sperling 1986 und 1988 in der Cottbuser Schlosskirche. Insbesondere die Kirche bot in dieser Zeit unangepassten Gruppen Möglichkeiten, um in ihren Räumen Projekte zu verwirklichen. Ziel der Initiatoren war es, jenseits des staatlich kontrollierten Kunstbetriebes Freiräume für neue Ausdrucksformen zu schaffen. Der Anklang war groß; auch renommierte Künstler wie Max Uhlig und Frieder Heinze sandten ihre bemalten Papierrollos ein. Wie beim Medienspektakel in Coswig kamen die teilnehmenden Künstler*innen vorwiegend aus der Dresdner und Lausitzer Underground-Szene. Aufgrund von innerkirchlichen Uneinigkeiten fand dann die 3. Cottbuser Rollo-Ausstellung im September 1989 als erste Präsentation in der „Galerie Haus 23“ statt, einem Ort, der sich fortan zur wichtigsten alternativen Galerie der Stadt entwickeln sollte.

Der Drang nach künstlerischer Selbstermächtigung, die Sehnsucht nach fernen Kulturen und die verstärkte Sichtbarmachung weiblicher Perspektiven stellen wichtigen Themen der Arbeiten dar. Zwischen Kunstwerk, Protestbild und Alltagsgegenstand changierend, zeugen die Objekte einmal mehr von dem unermüdlichen Erfindungsreichtum der subversiven Kunstszenen der DDR. Zahlreiche der Werke gingen in den ersten Wendejahren in den Museumsbestand über. Die erste museale Präsentation der Objekte fand bereits 1991 in den Brandenburgischen Kunstsammlungen unter dem Titel „ROLLO- Kunst als Dekoration“ statt. Zuletzt wurden die Objekte 2019 in der Schau „Papier ist (un)geduldig. Rollomalerei, Künstlerbücher und Künstlerplakate aus der Sammlung des BLMK“ präsentiert. Beide Ausstellungen wurden wiederum von Jörg Sperling kuratiert, wobei die letzte Schau in Zusammenarbeit mit Helene Roolf entstand.

Gefördert wurde das Projekt der Digitalisierung und wissenschaftlichen Erschließung durch Mittel des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Die Initiative zum Antrag übernahm der „Förderverein Landesmuseum für moderne Kunst im Dieselkraftwerk“. Die Durchführung des Projekts erfolgte federführend durch die Kustodin für Plakatkunst am BLMK Helene Roolf.

Caroline Kühne und Ulrich Röthke